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27.10.2017 Enno Schmidt auf Facebook »

 

"bottom up" von Enno Schmidt

Cosima Kern aus Deutschland besuchte mich in Oakland. Sie war zur Cash Conference nach San Francisco gekommen und hatte sich noch ein paar Tage mehr im sonnigen Kalifornien gegönnt. 

Natürlich sprachen wir auch über die Partei “Bündnis Grundeinkommen“ in Deutschland, deren zweite Vorsitzende sie ist. Ihre Erlebnisse mit der Partei und wie es weiter geht nach der Bundestagswahl. Ihr wäre wichtig, dass die Partei von den Medien ernstgenommen werden kann als Anlaufstelle für Fragen in Sachen Grundeinkommen. Und, ergänzte ich, als Berater in Sachen Grundeinkommen für andere Parteien. Denn das ist, wäre ja auch ein Ziel, wenn die Partei im Bundestag vertreten ist. Das kann man aber auch jetzt schon machen.
Das Wesentliche wurde bisher erreicht. Es gibt die Partei, sie wurde zur Wahl zugelassen in allen Bundesländern, sie hat an der letzten Bundestagswahl teilgenommen, und es gab auch alle üblichen internen Querelen.
 
Das Gespräch mit Cosima verführte mich dazu, einige Weisheiten los zu werden, die ich schon ein paar Tage zuvor mit meiner Gastgeberin in Oakland besprochen hatte. Sie war viele Jahre lang private investigator in Strafsachen und hat Einblick in die Ausbildung der Polizistinnen und Polizisten. Die Hierarchie und die Struktur steht über der Menschlichkeit. Unabhängige Geister werden vor oder in der Ausbildung gleich aussortiert. Nur bestimmte Charaktere kommen überhaupt so weit, Police Officer zu werden. Einordnung, Befehls- und Regelerfüllung ohne Fragen. Nur wenig geht es in der Ausbildung um Deeskalation und Konfliktlösung, viel um Durchgreifen und Selbstschutz mit der Waffe. So kommt es, dass US Polizisten um ein Vielfaches mehr Menschen erschießen als beispielsweise ihre Deutschen Kollegen. Diese Abgabe der eigenen Person an das Raster, an die Sache, bricht sich Bahn in Willkür. Weil die eigene Persönlichkeit im Muster hängt, sich daraus ihr Recht nimmt, ist der Boden für situationsgerechtes Handeln dünn. Die Persönlichkeit jenseits des Musters, nicht als Sache und nur der “Sache“ verpflichtet, ist schwach. Der Umgang mit dem Gegenüber wird zur Anwendung der Monopolgewalt und gleichzeitig zur Zitterpartie, in der man aus Angst die Zähne in den anderen beißt.

Es gehe nur um die Sache, nicht um Personen, heißt es oft auch in anderen Zusammenhängen. Aber es gibt gar keine Sache ohne die Person. Es gibt die Sache nur durch die Person. Es geht immer um Personen. Die vertreten eine Sache. Als Person. Kippt es um, so dass eine Person meint, die Sache zu sein, und nicht mehr nur Person, die es mit anderen Personen zu tun hat, dann sind der Dauerkrieg und das Abschießen vorprogrammiert. Will man, dass es um die Sache geht, dann hat man es mit Personen zu tun. Auch mit der eigenen.
Sich die eigene Kraft aus dem Dagegen zu holen ist an der Sache vorbei. Oder, wie es meine Gastgeberin Lauren sagte, die innere eigene Hässlichkeit auszuleben und nichts daran ändern zu müssen, indem man sie anderen vorwirft. Und sich bequem in der Opferrolle einzurichten.
Die Verantwortung für Veränderungen nicht bei sich, sondern bei anderen zu sehen, ist nicht mehr zeitgemäß. Weil die Pyramide sich umgedreht hat. Die Hiearchie hat sich umgekehrt. Jeder ist die Spitze der Hierarchie. Die ist jetzt unten bei jedem vom Menschen aus. 
Oder, wie Lauren es sagt: nur noch bottom up, nicht mehr top down. 
Das ist auch so beim bedingungslosen Grundeinkommen. Top down, eingeführt von einem Machthaber, ist es Loyalitätsgeld. Eingeführt von der Regierung ist es nicht für alle, nicht für den Menschen, sondern für eine spezielle ökonomische Situation und nicht hoch genug, um davon zu leben. Wenn es nicht um den Menschen geht, geht es nicht um die Sache. Das ist auch so, wenn die Digitalisierung als Grund für ein Grundeinkommen angegeben wird. Dann sind der technologische Fortschritt und der Verlust bezahlter Arbeitsplätze der Grund. Die Leute sind ein nicht mehr benötigtes Produktionsmittel, das irgendwie versorgt werden muss. Und Experimente an Menschen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, sind in erster Linie Experimente, kein bedingungslses Grundeinkommen. Wie ein bedingungsloses Grundeinkommen wirkt sollte nicht im Voraus zu beantworten sein. Es ist nicht deshalb gut, weil Leute, die es bekommen, sich unter meinem Urteil vernünftig und anständig verhalten. Es ist nicht die Vorwegnahne der Zukunft, sondern es ermöglicht sie. Top down, das kann nicht in die Zukunft. Nur bottom up. Von jedem als Menschen aus.
Aber die Vergangenheit kämpft um ihr Überleben. Sie kann sich des Grundeinkommens bemächtigen und sich auf dessen Flügeln noch einmal aufschwingen. Das gilt für jeden Einzelnen, wie er oder sie damit umgeht, das gilt für die alten Denk- und Machtstrukturen. In Finnland dient das jetzige Grundeinkommensexperiment den alten Vorstellungen von Vollbeschäftigung in bezahlten Tätigkeiten und der Einsparung von Sozialleistungen für den Kostenfaktor Mensch.
 
Bottom up, Initiativen aus der Bevölkerung, kommen häufig deswegen nicht weit, weil die Leute sich zerfleischen, wenn die Sache ein bisschen wichtiger wird. Die Sache, denken sie, bin ja nun ich. Und weil durch den Verein, die Partei oder Bewegung andere in Reichweite geraten sind, geht das Abgrenzen, Hacken und endlose Debattieren los, als wäre dieser Club nun die Welt, in der andere zu tun haben, was man selber denkt. Das nennt man: die Sache. Statt dass es um die Sache geht, Personen, die man gar nicht kennt, Verbreiten der Idee, den Dienst am Anderen, den man selber tun muss, geht es um das Selbstgefühl. Das lässt sich am meisten steigern in der Gegnerschaft. Ohne Abstoßung fühlen manche sich nicht. Nicht gut. Die Gegnerschaft sucht sich ihre Ziele. Ein Präsident, eine Kanzlerin, eine Vorsitzende sind dafür sehr geeignet. Wenn die weg ist, dann erst geht es voran. Die ist Schuld. Aber Schud bin ich selbst, weil ich ohne Abstoßen mich nicht fühle. Und das wird so bleiben auch beim nächsten Vorsitzenden. Das ändert sich, wenn man selber etwas macht. Was voraussetzt, dass man etwas machen kann. Eine Möglichkeit dazu hat. Was man macht findet sein Maß in dem, was andere davon halten. Das Maß muss nicht immer stimmen, man kann es auch verändern, aber das ist das Maß. Also nicht etwas machen, worin man sich selbst verliebt, und dann die anderen beschuldigen, wenn sie das nicht so toll finden. 
Es kann geschehen, dass man sich mit der Idee verwechselt, die man vertritt. Es kann geschehen, dass man sich mit der Wichtigkeit und Richtigkeit oder Gerechtigkeit der Gedanken verwechselt, die man haben kann. Und den Gefühlen, die man daran hat.
Aber das ist eine Verwechslung.

27.10.2017 Enno Schmidt auf Facebook »

 


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